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Ursprung von Sars-CoV-2 Nehmt endlich die Laborthese ernst!

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In Wuhan, wo Ende 2019 die ersten Sars-CoV-2-Fälle auftauchten, wird auch an Coronaviren geforscht.

In Wuhan, wo Ende 2019 die ersten Sars-CoV-2-Fälle auftauchten, wird auch an Coronaviren geforscht.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Zwei Thesen gibt es zum Ausbruch der Corona-Pandemie: Das Virus ist vom Tier auf den Menschen übergesprungen und das Virus stammt absichtlich oder versehentlich aus dem Labor. Die natürliche Zoonose scheint ein viel bequemeres Szenario zu sein als ein Laborunfall. Aber ist es damit notwendigerweise auch die Wahrheit?

Im Herbst 2019 brach in der chinesischen Millionenmetropole Wuhan in der Provinz Hubei eine Seuche aus, die schon bald weithin als Covid-19 bekannt wurde und die sich zu einer schrecklichen Pandemie entwickelte. Millionen Menschen fielen ihr zum Opfer und weitere werden folgen. Als Verursacher wurde nur mittels modernster Molekularbiologie möglicher Höchstgeschwindigkeit ein neues Coronavirus identifiziert und kurz darauf Sars-CoV-2 genannt. Wie dieses Virus entstanden ist, ist bis heute unbekannt.

Eine Reihe von starken Indizien spricht jedoch dafür, dass Forschungsinstitute in der Stadt Wuhan, die Coronaviren massenweise in entlegenen Gegenden aus Fledermäusen gesammelt, teilweise gentechnisch verändert und intensiv untersucht haben, etwas damit zu tun haben. Angesichts des sich anbahnenden menschlichen Leids hätte man erwarten dürfen, dass alle relevanten Akteure in Politik, Gesundheitswesen und Wissenschaft Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um dem ebenso plausiblen wie schrecklichen Verdacht nachzugehen und diese "Laborthese" zu überprüfen.

Es kam ganz anders: Statt laut und klar dazu aufzurufen, einen möglichen Laborunfall nach allen Regeln der Wissenschaft rigoros zu untersuchen und die organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, verständigten sich führende Corona-Forscher rasch darauf, dass die Covid-19-Pandemie nur auf einer natürlichen Zoonose beruhen kann, bei der ein in der Natur existierendes Virus ohne absichtliches Zutun des Menschen auf den Menschen überspringt. Eindeutige Beweise dafür konnten sie nicht vorlegen und können es bis heute nicht. Dessen ungeachtet lancierten sie Artikel in renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschriften wie "The Lancet" und "Nature Reviews Medicine", die den Eindruck erweckten, als sei die Entstehung von Sars-CoV-2 durch natürliche Zoonose eine erwiesene Tatsache.

Schlimmer noch, sie haben die Behauptung, dass Covid-19 keinen natürlichen Ursprung hat, als "Verschwörungstheorie" bezeichnet und "auf das Schärfste verurteilt", weil sie angeblich nichts anderes schafft "als Angst, Gerüchte und Vorurteile, die unsere weltweite Zusammenarbeit im Kampf gegen dieses Virus gefährden".

Sorge um das Ansehen der Virologie?

Doch das Gegenteil ist der Fall. Seit Anbeginn der Pandemie haben sich viele Wissenschaftler auf dieser Welt, die nicht dem kleinen, engen Zirkel der Corona-Forscher angehören, darunter viele Virologen und Molekularbiologen, aber auch Sicherheitsforscher und Physiker, darangemacht, die Entstehung von Sars-CoV-2 aufzuklären. Kaum etwas hat sie bei ihrer Arbeit so behindert, wie ihre Diskreditierung als "Verschwörungstheoretiker".

Denn es gelang den Anhängern der Natürliche-Zoonose-Hypothese mit ihrem Renommee rasch, weite Teile der Öffentlichkeit von ihren Ansichten zu überzeugen. Selbst die führenden Wissenschaftsmagazine wie "Nature" und "Science", Deutsche Leitmedien sowie Öffentlich-Rechtliche Medienanstalten gingen ihnen weitgehend auf den Leim, statt investigativ zu recherchieren und kritisch nachzuhaken.

So entging ihnen auch zunächst, auf welch unsolider wissenschaftlicher Grundlage hier anmaßend zwischen Wissenschaft und Verschwörungstheorie unterschieden wurde, und welche ungeheuren Interessenkonflikte viele derjenigen hatten, die diese Unterscheidung vornahmen. Neben der Tatsache, dass sie in der Vergangenheit sehr viel Geld für ihre Forschung erhalten hatten, mussten sie ja um ihre Arbeitsmöglichkeiten in der Zukunft, ja das Ansehen ihres gesamten Arbeitsgebietes der Virologie bangen.

Schließlich waren viele von ihnen eigentlich mit dem Ziel angetreten, die Welt vor Pandemien zu bewahren. Denn zumindest ein Teil gentechnischer Experimente mit Coronaviren ist unter dem Aspekt der Sicherheitsforschung betrieben worden. Mit ihnen sollte das "pandemische Potenzial" natürlicher Viren bestimmt werden, das heißt, es sollte ermittelt werden, wie sehr sich zunächst harmlose Viren verändern müssen, um für den Menschen gefährlich zu werden.

Hätte ihre Aktivität die Covid-19-Pandemie ausgelöst, würden sie ja wie Feuerwehrleute dastehen, die fahrlässig einen Brand verursachten, den sie eigentlich hätten verhindern sollen. Ein ganzes wissenschaftliches "Geschäftsmodell" wäre ruiniert. Abgesehen davon würden den Beteiligten möglicherweise massive persönliche und juristische Konsequenzen drohen. So erscheint denn eine natürliche Zoonose ein viel bequemeres Szenario zu sein als ein Laborunfall. Aber ist es damit notwendigerweise auch die Wahrheit?

Die Covid-19-Pandemie hat viel menschliches Leid angerichtet, und es ist längst noch nicht vorbei. Das stimmt mich traurig. Aber es ist eine zweite Seuche, die mich empört - die Pandemie wissenschaftlicher und medialer Arroganz und Ignoranz, bei der eine recht kleine Gruppe hoch spezialisierter Experten nahezu die ganze Welt bezüglich der Ursachen eines Phänomens eingelullt und eine offene wissenschaftliche Diskussion erschwert hat.

Günter Theißen ist Lehrstuhlinhaber für Genetik und Leiter der Struktureinheit Genetik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Günter Theißen ist Lehrstuhlinhaber für Genetik und Leiter der Struktureinheit Genetik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

(Foto: privat)

In der nicht auf belastbare Daten gestützten Absprache dieser Experten, dass es sich bei Covid-19 um eine natürliche Zoonose handelt, sehe ich eher eine Art der Verschwörung, die sie in perfider Projektion dann den Zweiflern an der natürlichen Zoonose-Hypothese vorgeworfen haben. Diese Kritiker und Zweifler sind allerdings ein viel zu großer, heterogener und unkoordinierter Haufen, als dass sie sich wirklich hätten verschwören können - die meisten kannten sich in den ersten Monaten der Pandemie nicht einmal. Und was sollte deren Motiv gewesen sein? Die Motive der Corona-Forscher sind demgegenüber mehr als offensichtlich.

Zu überprüfende Hypothese

Verstehen Sie mich nicht falsch: Eine natürliche Zoonose wäre mir lieber als ein Laborunfall. Ich bin selber Molekularbiologe und hoffe inständig, dass es nicht Wissenschaftler waren, die ein tödliches Virus der Natur entnahmen, oder möglicherweise gar erst konstruierten, es entkommen ließen und dieses Ereignis dann vertuschten. Doch Wunschdenken ist hier fehl am Platz. Um die Wahrscheinlichkeit der nächsten Pandemie zu verringern, wäre es schon hilfreich zu wissen, was wirklich passiert ist, und nicht, wie es am besten gewesen sein könnte - vom grundsätzlichen Wert historischer Wahrheit einmal abgesehen.

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Glücklicherweise gilt es unter vielen Wissenschaftlern nicht mehr als Tabu, einen Laborunfall als das anzusehen, was er ist: eine plausible wissenschaftliche Hypothese, die überprüft werden sollte.

Das ist auch dem Einsatz vieler kritischer Forscherinnen und Forschern zu danken, die, als vermeintliche Verschwörungstheoretiker, jahrelang recherchiert und geforscht haben. Sie haben offene Briefe geschrieben und Artikel in bescheidenen Journalen veröffentlicht oder auf Preprint-Servern hochgeladen, weil kein renommiertes Journal sie drucken wollte. Mittlerweile aber scheint das Eis gebrochen. Selbst in führenden Zeitschriften wie den "Proceedings of the National Academy of Sciences USA" erscheinen Artikel, die zu einer unabhängigen und vorurteilsfreien Untersuchung des Ursprungs von Sars-CoV-2 aufrufen, und der kürzlich erschienene vorläufige Bericht der "Scientific Advisory Group for the Origins of Novel Pathogens" (SAGO) der Weltgesundheitsorganisation WHO schließt einen Laborunfall nicht aus und empfiehlt, neben anderen auch die Laborthese zu überprüfen.

Auch wenn noch nicht klar ist, wie Sars-CoV-2 wirklich entstand - etwas anderem bin ich mir sicher: Die Gemeinde der Corona-Forscher hat in der Pandemie ein verdammt gutes Beispiel für verdammt schlechte, weil vorurteils- und interessengetriebene Wissenschaft abgegeben. Denn Wissenschaft bedeutet systematischen Zweifel und das konsequente Testen der daraus entstehenden Hypothesen, nicht die aktive und rasche Verbreitung gefälliger und bequemer Meinungen. Leider sind Konsequenzen weit über die Virologie hinaus zu befürchten. Denn es gibt genug Probleme auf dieser Welt, von Klimawandel und Artensterben bis zu kriegerischen Konflikten und Hungerkatastrophen, bei deren Lösung wissenschaftliche Expertise dringend notwendig ist. Aber der häufigen Forderung "Hört auf die Wissenschaft" dürfte kaum noch jemand zu folgen bereit sein, wenn sich deren führende Vertreter wie Influencer aufführen.

Disclaimer: Die Erstellung des Buches "Das Virus: Auf der Suche nach dem Ursprung von Covid-19" hat ntv.de-Redakteur Kai Stoppel unterstützt. Er war jedoch nicht bei der Erstellung des Gastkommentars beteiligt.

Quelle: ntv.de

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